Schon seit einiger Zeit wollte ich mal die Bahnstrecke von Moldava hinab in den Eger Graben nutzen, doch die Planung scheiterte meist daran, dass es schwierig ist von Dresden aus nach Moldava zu gelangen. Unter der Woche erreicht man das nahegelegene Rehefeld-Zaunhaus auf deutscher Seite mit dem Bus, aber leider nicht am Wochenende. Glücklicherweise fuhr jetzt ein Ski-Bus am Wochenende auch des morgens dahin. So bot es sich an, den sonnigen Tag zu nutzen für eine Wanderung über die Grenze und auf den Biliner Borschen.

Zunächst ging von Dresden mit der S-Bahn nach Heidenau, dann weiter ins Erzgebirge hinauf mit der Regional Bahn nach Altenberg. Von da aus war Rehefeld-Zaunhaus mit dem besagten Bus schnell erreicht. Der Busfahrer schaut zwar sehr verdutzt, über den eine Fahrgast, ließ sich aber zu keiner Äußerung hinreißen. Das Gesicht erklärt sich beim Anblick des Ortes: viel war hier der sprichwörtliche Hund begraben. Trotz des warmen Wetters der letzten Tage lag noch eine geschlossene Schneedecke. Glücklicher Weise hatte ich für die folgenden 3 km Wege eine reichliche Zeitreserve. Der Weg war in denkbar schlechtem Zustand. Verharschter Schnee ließ mich immer wieder einbrechen und eher mühsam vorankommen. Dafür schien die Sonne umso schöner und der Himmel leuchtet Blau.

An der Grenze angekommen bot sich ein trauriges Bild der Häuser direkt am Übergang. Grau und unwirtlich ist gar kein Ausdruck für dieses Ensemble. Die Grenzbrücke führt über die Eisenbahnstrecke, welche ehemals von Most (Büx) bis nach Freiberg ging. Heute ist Moldava der Endbahnhof auf tschechischer Seite, wie Holzhau auf deutscher Seite. Das kurze Stück dazwischen wurde in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges zerstört und danach endgültig demontiert.

Nach einer kurzen Runde durch den Ort, widmende ich meine Aufmerksamkeit dem alten Bahnhof. Die Gleisanlagen waren größten Teils mit Schneebedeckt, so dass die Gebäude in den Fokus rückten. Das Bahnhofgebäude ist leider in schlechtem Zustand, aber der Warteraum war erstaunlicher Weise geöffnet. Der morbide Charme hatte seinen eigenen Reiz. Die Toiletten waren tatsächlich auch noch zugänglich. Zum Spülen stand jeweils ein Eimer mit Wasser bereit…

Der Zug hinunter nach Most (immerhin 600 Meter Höhenunterschied!) bestand aus drei Triebwagen, von Liebhabern auch „Blechbüchsen“ genannt, die teilweise modernisiert waren und eine angenehme Fahrt ermöglichten. Tickets gab es im Zug beim Schaffner, der reichlich gestresst von der wenigen Arbeit wirkte. Die Fahrt an sich war sehr spannend und ermöglichte zwei sehr schöne Ausblicke hinab ins Egerbecken und hinüber zum Böhmischen Mittelgebirge. Die Tunnel sind in sehr schlechtem Zustand und werden mit Schrittgeschwindigkeit durchfahren. Wer mehr zur Strecke Wissen möchte sei der Wikipedia-Artikel empfohlen. Nach dem Fahrtrichtungswechsel im Spitzkehrenbahnhof Dubí (Eichwald) geht es durch viele Laubwälder weiter langsam hinab und auf Most (Büx) zu.

Zwischenzeitlich konnte man immer wieder mal einen Blick in die Weite erhaschen, ehe man dann in der Ebene angekommen war. Lange Zeit geht es dann an einem großen Industriegelände vorbei, bis dann Most erreicht wird. Die Stadt ist schon ein trauriges Beispiel der Plattenbauarchitektur, einzig die Kirche ist von der Altstadt erhalten geblieben und steht nun außerhalb an einem See. Dafür hat man keine Mühen gescheut und die Kirche um 800 Meter an ihren heutigen Standtort verschoben und die restliche alte Stadt für den Braunkohltagebau abgerissen. Nach einer dreiviertel Stunde Wartezeit ging es dann weiter nach Bílina kyselka (Bilin Sauerbrunn).

Dort angekommen war der Bořeň (Borschen) das nächste Ziel. Leider war diesmal nicht gleich ab dem Bahnhof eine Ausschilderung vorhanden, so dass man wissen musste, dass der grüne Strich auf den Gipfel führt. Zunächst steigt der Weg nur sanft an, aber ab der Borschen Baude nimmt die Steigung merklich zu. Der Aufstieg auf das Felsmassiv hat es dann ins sich. Auf einem steilen Pfad geht es in laubbedeckten Serpentinen immer weiter hinauf bis man auf dem Gipfel auf 539 Meter Höhe mit einer wunderbaren Rundumsicht belohnt wird.

Lange war ich aber nicht alleine auf dem Gipfel und andere Wanderer kamen hinzu. Das junge Hündchen Connie war sichtlich von dem Belag meiner Brotzeit angezogen und macht große Augen. Es gab trotzdem nicht, aber so mancher junge Hund begegnet mir noch an diesem Tag. Man könnte vermutet das es Weihnachtsgeschenke waren…

Der Blick über die weite Landschaft hat seinen Reiz, führt aber ebenfalls sehr deutlich vor Augen, welche Landschaftszerstörung der Braunkohletagebau mit sich bringt. Nach Süden Blickt man in eine ländliche Idylle, nach Norden in einen riesigen Tagebau bis zum Rand des Erzgebirges. Die Stad Bílina wird dominiert von dem Kraftwerk, welches die abgebaute Kohle verstromt. Mit der Zeit füllte sich der Gipfel immer mehr und ich beschloss wieder hinabzusteigen. Ein bisschen drängt auch die Zeit, schließlich will ich ja noch meinen Zug erreichen, der mich wieder nach Dresden brachte.

Während des Abstieges bot sich noch mal ein guter Blick auf halber Höhe auf die Felsriffe, ehe wieder das Plateau erreicht war und der Weg durch überwucherten Gartenflächen zurück nach Bílina führte. Der Pfad endet in einem Plattenbauviertel, das gar nicht mal so trostlos wirkt. Zurück am Bahnhof Bílina Kyselka, widmet ich noch ein paar Minuten dem ehemaligen Kurbad Sauerbrunnen. Das Gebäude zum Bahnhof hin ist schön renoviert, dahinter wird es leider trostloser. Es bot sich hier nochmal ein schöner Blick auf den Borschen, ehe es über Děčín und Bad Schandau zurück nach Dresden ging.